Heute steht ein neuer Ausflug der IPA-Frauen an – und heute dürfen uns auch mal einige Ehemänner begleiten!
Pünktlich um 10.30 Uhr stehen alle 23 Angemeldeten vor dem Hindutempel in Hamm.
Frau Eichhorst erwartet uns und wir sind gespannt, was in den folgenden Stunden auf uns niederprasseln wird!
Vor vielen Jahren bereits war ich schon einmal hier – die fremde Kultur, der fremde Glauben, die bunte Schönheit des Tempels und auch das anschließende Essen haben mich damals so begeistert dass ich dachte: sowas wäre wohl mal was für uns IPA-Frauen!
Der Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel ist der größte Dravida-Tempel in Europa und wurde 2002 fertiggestellt. Er ist der einzige Tempel der Göttin Kamadchi außerhalb Indiens und die zentrale Begegnungsstätte der deutschen Hindus.
Zwei lange Winter über haben indische Tempelbauer – ohne Baupläne bzw. Anleitungen – an dem äußeren Erscheinungsbild des Tempels gewirkt. Aus Zementmörtel wurden sämtliche Muster und die mehr als 200 Figuren auf dem Gebäude in Handarbeit gefertigt! Im ungewohnten deutschen Winter sind den Arbeitern die Finger fast abgefroren und zwischendurch mussten sie zurück in die Heimat fahren um sich zu erholen, so Frau Eichhorst.
Die Geschichte des Tempels begann 1989 im Keller eines Mietshauses mitten in Hamm. Ein Bürgerkriegs-Flüchtling aus Sri Lanka, der tamilische Priester Siva Sri Arumugam Paskarakurukkal, war der Mieter dieses kleinen Andachtsraumes.
Aufgrund von Sicherheitsmängeln mussten neue Räumlichkeiten gefunden werden. Die wurden dann in einer alten Wäscherei gefunden.
Doch der Priester wollte einen richtigen Tempel bauen, und im Gewerbegebiet Hamm-Uentrop sollte dieser entstehen. Allerdings fehlte es erheblich an Geld!
Schließlich bereiste er ganz Europa und der Tempel konnte mit den Spendengeldern und auch Darlehen finanziert werden: mehr als 1,5 Millionen Euro kostete er!
Dieser Priester ist auch heute noch Manager, spiritueller Führer und Vorstand des Tempels.
Zur Einweihung flogen weltweit 14 Priester ein, um den Tempel und die namensgebende Göttin zu segnen und sie mit Shakti zu erfüllen. 45 Tage lang fanden Weihe- und Eröffnungsrituale statt – hauptsächlich Waschungen und Feueropfer. Seitdem ist dieser Tempel europaweit bekannt!
Der Tempel finanziert die Lohnpriester (4 Priester sind immer zugegen) selbst. Sie bekommen ein sicheres Gehalt. Der „Chef“ muss sehen was für sich, seine Frau und seine sechs Kinder an Spendengeldern so übrigbleibt! Im Monat gibt es immerhin Ausgaben von 8.000 -10.000 € – je nach Jahreszeit!
Der Tempel liegt geradezu ideal für die etwa 3000 NRW-Hindus: gute Autobahnanbindung für die Gäste und nahe am Kanal für die rituellen Waschungen (dafür wird etwas Wasser aus dem Ganges gesegnet und in den Kanal geschüttet). Er hat im Gegensatz zu den indischen Tempeln ein Dach (damit es immer schön warm und trocken ist!).
Nachdem wir den langen, aber kurzweiligen Ausführungen Frau Eichhorsts gelauscht haben geht es ans Eingemachte: Schuhe ausziehen! Auch meine warmen Pantoffeln darf ich nicht anziehen – aber im Inneren des Tempels gibt es eine Fußbodenheizung.
Im Innenraum gibt es einige Schreine, in denen Götterfiguren stehen. Die Schreine sind innen gefliest, da hier rituelle Waschungen der Figuren stattfinden – manchmal mit Wasser, aber manchmal auch mit Milch.
Im Hinduismus glaubt man daran, dass Gott universell und somit überall ist: etwas davon in jeder Pflanze, in jedem Tier und in jedem Menschen. Um das zu personifizieren und das Anbeten leichter zu machen gibt es diese Gottfiguren! Alle zusammen sind sie die Gottheit, die es anzubeten gilt.
Jährlich findet ein großes Tempelfest statt. Ca. 25.000 Gläubige reisen dafür an.
Die Hindus feiern auch den Vollmond mit einem entsprechenden Gottesdienst. Auch die Planeten werden heute noch als etwas göttliches verehrt!
Das Handeln des Menschen ist im Hinduismus viel wichtiger als der Glaube und nennt sich Karma. Alles, was der Mensch macht, steht im Zusammenhang mit seinem Glauben. Man glaubt an die Wiedergeburt. Jedes Lebewesen wird nach dem Tod wiedergeboren. Die guten und auch die bösen Taten entscheiden über die Art der Wiedergeburt. Ganz fiese Menschen können auch als kleine Tiere wiedergeboren werden…
Verzückt lauschen wir Frau Eichhorst – sie weiß auf alle Fragen eine Antwort! Paradoxerweise ist sie keine Hindu! Sie ist katholisch! Sie erklärt uns, dass man kein Hindu werden kann – als Hindu muss man geboren werden. Man wird also geboren und ist schon fertig…
Die Zeit vergeht so schnell!
Um Punkt 12 wird es laut! Eine Glocke ertönt und kündigt den Gottesdienst an. Täglich gibt es drei Gottesdienste.
Jetzt darf nicht mehr fotografiert werden.
Der Priester hat vorher sämtliche Schreins verhängt. Jetzt, während des Gottesdienstes, betet er an jedem Schrein. Er fängt beim Ganesha an, das ist die Figur mit dem Elefantenkopf. Dieser Schrein steht bei jedem Gläubigen am Anfang, da dieser „Aspekt“ der Überwinder sämtlicher Hindernisse ist. Man startet also sozusagen als „Neubeginner“ in das Gebet.
Wir folgen ihm noch zum Hauptschrein mit der Göttin Kamadchi und finden uns einige Minuten später wieder im nüchternen Vorraum des Tempels wieder: ohne Fußbodenheizung, mit einer vollgestopften Garderobe und einem fast überquellenden Schuhregal.
Nachdem wir die Schuhe angezogen haben laufen wir über die Straße zum Wohnhaus des Priesters. Im Obergeschoss befindet sich der Hochzeitsraum, in dem schon ein leckeres Hochzeitsbuffet auf uns wartet! Aber auch hier heißt es wieder: vorher Schuhe ausziehen!
Wir stellen Frau Eichhorst noch die letzten Fragen die uns so einfallen und dann erklärt sie uns, was die Priester so an Leckereien für uns zubereitet haben: neben einem Reis- und einem Nudelgericht gibt es Gemüse in Linsenmehlteig, eine Art Brotsalat mit Kohl, gefüllte Pfannkuchen, und zum Nachtisch Trauben, Ananas und Jackfrucht. Wir sind uns einig: das ist richtig lecker!
Nach dem Essen machen wir noch einen kleinen Gang rund um den Tempel. Hier befinden sich große Außenanlagen mit diversen Gottfiguren. Auch die heiligen Vögel der Hindus, Pfaue, leben hier. Doch wir sehen keine – sie verstecken sich wohl in ihrer Hütte.
Auf dem Parkplatz verabschieden wir uns voneinander – es war ein sehr schöner Ausflug! Und die Männer haben nicht gestört!
Vielleicht nehmen wir ja noch einmal welche mit!
Vielen Dank Ihr Liebe, dass Ihr mitgeholfen habt, dass es wieder sehr kurzweilig geworden ist!
Ich freue mich schon auf unser nächstes Event – uns wird bestimmt wieder was Tolles einfallen!
Liebe Grüße von Eurer
Mecki Lanwehr